Entspannt, ein Lächeln auf dem Gesicht, beziehen die Volksstimme-Gäste ihre Plätze im Bus. Sie alle stammen aus Magdeburg und den umliegenden Ortschaften, freuen sich auf knapp acht Tage in einer Landschaft, die mit ihren Weinhängen im krassen Gegensatz zur vergleichsweise flachen Börde-Region steht.
Die Reise beginnt. Hier und da raschelt Papier. Wer es im Morgengrauen, bevor der bequeme Taxi-Service an der Tür klingelte, nicht geschafft hat, nutzt nun die Zeit für eine ausgiebige Zeitungsschau. Leises Gemurmel prägt die Atmosphäre, mancher holt fehlenden Schlaf nach – vorbei an den allmorgendlichen Autobahnstaus. Ein Debatten-Thema, nicht nur für die Busfahrer Wieland und Jürgen, auch für die Gäste – über Reißverschlussverfahren, Überholverbote und Baustellen, an denen weit und breit kein Straßenbauer zu sehen ist.
Doch: „So lange, wie es immer noch weiter geht …“, macht sich unter den Urlaubern keine Unruhe breit, es nicht pünktlich bis Köln zu schaffen. Schließlich gehört es sich für eine solche Reise, bei der einmal andere die Verantwortung tragen, Zeitpuffer ausreichend einzuplanen und rundum für ein Wohlgefühl zu sorgen.
Während der Duft von heißem Kaffee die Nase kitzelt, schweifen die Gedanken ab – voraus zum Schiff, wie die Tage an Bord sein werden, zu den Ausflügen in eines der ältesten europäischen Weinanbaugebiete. Gelegentlich zurückgeholt von den Worten der Reisebegleitung, die links und rechts der Straßenroute ein paar Einblicke in die Orte, ihre Geschichte und Besonderheiten gibt. Gewürzt mit kleinen Scherzen. Schließlich ist Urlaub angesagt, und der soll von Anfang an Spaß machen.
Bei Porta Westfalica, jener Stadt, bei der sich die Weser ihren Weg durch das Weser- und Wiehengebirge bahnt – hier also ihre Pforte hat, ist schon gut die Hälfte der Anreise geschafft. Nächste bekannte Stadt auf dem Weg: die Stadt, die es nicht gibt. Angeblich. Neben Fakten zu Bielefeld, ist auch ein bisschen Satire erlaubt. Nämlich über die Bielefeld-Verschwörung, jene „Verschwörungstheorie“, die seit 1994 in der Internetgemeinde „hartnäckig“ weiterlebt. Ein kleiner Aha-Effekt für die Mitreisenden.
Spätestens jetzt stellt sich ein Gefühl von Entspannung ein. Denn gut gelenkt von den Busfahrern muss sich niemand Gedanken machen, wo nun die nächste Autobahnabfahrt zu nehmen, der nächste Stau zu umgehen ist – oder gar wie spät es ist. Weg vom Alltag, hin zum Urlaub. Auch dank des Weserberglandes, das ein Stück weit auf das Weinthema der Reise einstimmt: mit den Orten, deren kleine Häuser an den Hängen „hängen“ wie Trauben am Rebstock; in einem Bus, der leicht – durch das Auf und Ab des Geländes – schaukelt wie ein Schiff bei seichtem Seegang, auf einer Straße, die sich – einem Fluss gleich – durch die Landschaft schlängelt.
Ganz unbemerkt von den Gästen werden E-Mails ausgetauscht, wird telefoniert, um Hebel in Bewegung zu setzen – für eine kleine Überraschung, die den nächsten Tag für einige Gäste unvergesslich machen soll. Hoffentlich klappt es …
Sachsen-anhaltische Begegnungen im fernen Nordrhein-Westfalen
Derweil erreicht die Volksstimme-Reisegruppe Köln. Außerordentlich pünktlich, trotz Stau und Baustellen. Angekommen, um abzulegen – und zwar ganz bequem. Leichten Fußes geht es für die 26 Reisenden an Bord der MS Alena. Die Crew verlädt die Koffer, bringt sie auf die Kabinen, während die Gruppe nach kurzem Warten schließlich ganz fix durch den Check-in geschleust wird. „Willkommen zu Hause“, heißt es.
Und dieses „Willkommen zu Hause“ entpuppt sich als besonders heimisch. Es fällt der Satz: „Volksstimme? Lese ich auch!“ Der Satz stammt von keinem Geringeren als dem Kapitän der MS Alena, Klaus Mansfeld. „Tatsächlich? Woher kommen Sie?“ „Aus dem Harz, Friedrichsbrunn.“ 440 Kilometer Busfahrt liegen hinter der Volksstimme-Gruppe – um sich vertrauensvoll in die Hände eines Mannes aus der Heimatregion und seiner Crew zu begeben. Übrigens: Nicht nur der Kapitän hat seine Wurzeln in Sachsen-Anhalt. Auch Restaurantleiter und Küchenchef sind dort zu Hause.
Derweil hat die Crew gut zu tun. Die Vorbereitungen zum Ablegen laufen, die letzten Koffer werden auf die Kabinen verteilt, während die Gäste die Alena erkunden und sich mit den drei Decks des Schiffes vertraut machen. Das schwimmende Hotel ist quasi neu, wurde erst im März 2018 getauft, die Ausstattung modern und bequem zugleich.
Während die Alena ablegt, ziehen über Köln Wolken auf, die Regen mit sich bringen. Eine willkommene Abkühlung in der schwülen Luft. Die Gästeschar verlagert sich in die Bord-Lounge, die Luft ist erfüllt von quirligen Gesprächen. Sie sind die Ouvertüre für eine der wichtigsten Veranstaltungen an Bord: die Sicherheitseinweisung.
Rettungswesten werden demonstriert, der Feueralarm erklingt, damit der Ernstfall – möge er ausbleiben – von niemandem unerkannt bleibt. Trotz des gebotenen Ernstes geht die entspannte Atmosphäre nicht verloren, es bleibt Raum für Scherze, wie den von Kapitän Mansfeld: „Der Wasserstand ist so niedrig, da fahren wir im Notfall auch mal rechts ran.“ Die Lacher sind ihm sicher.
Hotelmanager Michal Kosinar legt später nach: „Entschuldigung für das schlechte Wetter, aber wir müssen auch ein bisschen Wasser in den Rhein bringen.“ Schnell zeigt sich: Er hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Für die gute Stimmung an Bord unerlässlich, da zeigt sich die lange Erfahrung an Bord von Passagierschiffen. Selbst bei ernsten Themen wie der Vakuum-Toiletten-Anlage. Kein Thema für einen Urlaub? In diesem Fall schon: Nicht nur, weil die Anlage komplex und schwer zu reparieren ist – eine Situation, die sich weder Crew noch Gäste wünschen dürften, weshalb – bitteschön – nichts anderes als Toilettenpapier in die Toilette gehört. Aber der Mann spricht aus gelebter Borderfahrung: Aus einer solchen Anlage musste nämlich schon einmal ein Teddybär gefischt werden …
Seemannsgarn? Wohl kaum. Aber ein gutes Stichwort. Denn wie ein Garnknäuel entspinnen sich nach den ernsten Themen die lockeren Gespräche. Die Volksstimme-Reisegruppe erweist sich als Kreuzfahrt-erfahren. Donau, Rhein oder rüber „ …nach Swinemünde, Kopenhagen, Stockholm, Tallin – alles Stationen, an denen wir schon waren“, erzählen Horst Nachtigall und Monika Wilke. Nächsten Monat gehe es nach Frankreich. „Die Kinder und Enkel sind groß, da bleibt jetzt die Zeit für Kreuzfahrten.“
Was schöner sei? Die großen oder die kleineren Schiffe? Ganz klar: „Flussreisen sind viel gemütlicher. Es sind weniger Gäste als auf großen Schiffen“, erzählt sie Monika Nachtigall. „Da lernt man viel mehr Leute viel genauer kennen, und in der Reisegruppe rückt man so viel mehr zusammen.“ Auf diese Weise entstehen auch Freundschaften, die noch lange wären können – wie im Fall von Edda und Dietrich Bendicks. Das Ehepaar aus Möckern hat diese Erfahrung gemacht, bei einer früheren Reise Leute aus Berlin kennengelernt, mit denen nun schon eine Freundschaft über Jahre besteht.
Ob es am Ende dieser Reise, an Bord der MS Alena, auch so sein wird? Beim Abendessen in Höhe Bonn, auf dem Weg nach Königswinter, wo das Schiff über Nacht anlegt, wird jedenfalls gemeinsam viel und herzlich gelacht, werden Kreuzfahrtgeschichten ausgetauscht, gewürzt mit privaten Details – über die Liebe zu Büchern, kesse Anekdoten darüber, welche Stilblüten die Begeisterung für Handtaschen nach sich ziehen kann – und ja, auch über Politik diskutiert. Bildungspolitik in Sachsen-Anhalt, wohl gemerkt. Ein Reizthema, aber keines, dass eine hoffentlich gute Nacht an Bord verhindert …